Mitgliederversammlung 2019 — Dortmund / Soest - Nordkirchen
Schon in "Hydrokultur intern 03 – 2019" stand die Mitgliederversammlung 2019 im Schwerpunktteil der Ausgabe.
Die zweite Verleihung des "Günter Gregg-Preises" stand im Mittelpunkt der Versammlung und so können Sie dazu auch wichtige Beiträge schon auf unserer Internetseite lesen: DGHK zeichnet Aquaponik-Projekt aus – Laudatio des Geschäftsführers – GRUSSWORT DER FAMILIE — Günter Gregg-Preis 2019
Wir möchten Sie aber darüber hinaus zusätzlich zu einer Exkursion mit ungewöhnlichen Zielen einladen: zum Stammsitz der Gruppe "die urbanisten", zu einer Führung durch den historischen Teil des "Hauptfriedhofes Dortmund", zu einem Besuch in der Fachhochschule Soest / "Aquaponik" und zu GärtnerGregg in Nordkirchen, wo dann auch die eigenltliche Mitgliederversammlung stattfand, der Gund dieser ganzen Reise.Der Stammsitz von "die urbanisten" war unser erstes Ziel. Wie das heute so üblich ist, haben sich "die urbanisten" als Startup - Unternehmen in reaktivierten Industriebauten in Dortmund - Mitte angesiedelt.
"Die Aquaponikanlage ist ein landwirtschaftliches Pilotprojekt und wurde von "den urbanisten" ins Leben gerufen". So steht es auf einem Flyer an dem "Mini-Forschungs - Gewächshaus", das wir besichtigt haben. Nils Rehkop hat uns danach in die Geheimnisse dieser eigenen Welt eingeführt. 2013 hat die Fachhochschule Soest, die das Forschungsprojekt "Aquaponik" betreut, Chr. Morgenstern zur Gruppe "die urbanisten" nach Dortmund gebracht. Nils Rehkop stammt aus einer Erwerbsgärtnerei, die schwerpunktmäßig Tomaten angebaut hat und war von der Idee ganz begeistert, in diesem Projekt mitarbeiten zu können.
"die urbanisten" betreiben nicht nur "Urban Gardening" / "Aquaponik", sondern betreuen viele Projekte, die sich mit Stadtgestaltung, wie City-Kunst, Street-Art, Graffiti - Kunst befassen, oder, wie Florian Artmann, der eine Manufaktur betreibt, für Interessenten, die auf keine eigene Werkstatt zurückgreifen können. Ein großer Teil des Vereins, wahrscheinlich der größte, kümmert sich um "Urban Gardening" und "Aquaponik". "Aquaponik" ist eine Kombination aus einer "Aquakultur", der Aufzucht von Fischen und einer "Hydroponik", also einer erdelosen Kultur von Pflanzen. Im vorliegenden Fall wird als Substrat Blähton eingesetzt, vergleichbar mit der aus der Innenraumbegrünung bekannten "Hydrokultur". Im Unterschied zu dieser erfolgt allerdings kein Daueranstau sondern ein kurzfristiges Fluten des Wurzelbereichs in bestimmten Zeitabständen. Man nutzt in der "Aquaponik" die Ausscheidungen der Fische für die Ernährung der Pflanzen. Dabei wird das Wasser gleichzeitig gereinigt. So wird der für Fische giftige Ammoniumstickstoff durch Nitrifikanten zu Nitratstickstoff oxydiert. Die Pflanzen können beide N-Formen nutzen und bevorzugen aus energetischen Gründen sogar den Ammoniumstickstoff.
Die Prozesse sind im Grunde dieselben, die in den Filtern der Aquarien vorhanden sind. Man stellt praktisch in der "Aquaponik" die Pflanzen in die Filter, die dadurch mit Nährstoffen versorgt werden. Das Ganze ist ein recirculierendes Kreislaufsystem.
Das Wasser aus dem Fischtank kommt schlussendlich auch dort wieder an, abzüglich der Menge, die von den Pflanzen verbraucht wurde. Letztere kann in den Sommermonaten beträchtlich sein. Dennoch handelt es sich um ein Ressourcen schonendes, nachhaltiges Verfahren, das sich auch bei der Reinigung kommunaler Abwässer bewährt hat. Die DGHK war in den vergangenen drei Jahren als sogenannter "stakeholder" Partner in einem solchen Forschungsprojekt. Mit "Aquaponik", und das ist ein weiterer ganz wichtiger Aspekt, lassen sich auch Flächen rekultivieren, die kontaminiert sind!
In der Versuchsanlage in Dortmund wird mit Graskarpfen und Schleien gearbeitet, ca. 25 Stück in jedem Bassin. Das Wasser läuft aus dem Fischtank durch zwei Filter, einem Mattenfilter aus der regulären Teichkultur und einem sogenannten "Moving Bed Filter". Im Teichbau werden diese Filter zum Ammonium -Abbau (Nitrifikation) benutzt. Diese Filter sind eigentlich Bioreaktoren. Aus den Filtern läuft das Wasser in einen Sammeltank und von da aus wird es in die Blähton-Beete gepumpt. Der Wasserstand wird in den Beeten über Spezialsiphons hydrostatisch geregelt, sodass die Beete im Ebbe- und Flutsystem betrieben werden. Es wurden bewusst heimische Kaltwasserfische gewählt, um keine zusätzliche Heizung und Beleuchtung anwenden zu müssen. Ab ca. 120 C verlangsamen die Fische ihren Stoffwechsel, im Winter wird die Futterzufuhr ganz eingestellt, die Fische leben von ihren Reserven.
In diesem Zeitraum erfolgt auch keine Pflanzenkultur. In extremen Kältemonaten wird durch eine Heizung aus der "Aquaristik" das Wasser auf 40 C gehalten damit die Fische keinen Schaden erleiden.Wichtig ist darüber hinaus, dass man die Fische möglichst nicht stört, denn Karpfenarten gründeln am Boden. Im Frühjahr läuft dann der Prozess umgekehrt ab. Im April - Mai, wenn die Fische wieder aktiver werden, kommen auch die Bakterien im Blähton in den Beeten wieder in Bewegung, bilden als erstes Nitrit, dann Nitrat. Dieser Prozess dauert je nach Temperatur bis zu vier Wochen. In dieser Zeit werden Ammonium, Nitrit und Nitrat genau gemessen, denn wenn der pH-Wert über 7,2 steigen würde, wandelt sich Ammonium in Ammoniak um. Und Ammoniak ist für die Fische giftig! Im Übrigen ist das als Zwischenprodukt unter ungünstigen Temperatur- und Sauerstoffbedingungen angereicherte Nitrit wiederum für Pflanzen toxisch. Es führt zum raschen Verbräunen und Absterben des Wurzelsystems.
Ziel des inzwischen vier Jahre laufenden "Aquaponik-Projektes" ist es, Natur basierte Lösungen für eine "Grüne Infrastruktur zur Aufwertung postindustrieller Standorte" zu erreichen. Im Rahmen eines EUProjektes ist geplant, eine "Aquaponik - Pilotanlage" von 700 m2 mit 2 Gewächshäusern zu erstellen. In dem einen soll für die angeschlossene Gastronomie produziert werden und das andere Gewächshaus steht für private Interessenten als Mietobjekt zur Verfügung. Das letzte Projekt, welches verwirklicht wurde, ist eine "Aquaponikanlage" von 1,00 m x 0,6 m, die zu Hause, beispielsweise auf dem Balkon, aufgebaut werden kann. Je nachdem wie viele Fische man einsetzen möchte, können unterschiedlichste Pflanzenarten kultiviert werden. Die Fütterung der Fische kann automatisch erfolgen. Für kleine Anlagen sind Goldfische zu empfehlen, da sie auch eine Karpfenart sind und sich außerdem gegen pH-Wert-Schwankungen weniger empfindlich zeigen. In dem großen System werden wöchentlich verschiedene Parameter gemessen und genau protokolliert. Bei relevanten Abweichungen werden Wasserproben entnommen und im HS-Labor gemessen. Täglich werden nur der pH- und der EC-Wert gemessen, über die elektrische Leitfähigkeit lässt sich sehr gut der Salzgehalt des Wassers ermitteln und eine ungefähre Einschätzung des Nährstoffgehaltes vornehmen. In den großen Beeten sind zusätzlich noch Regenwürmer, die mit dem Ebbe- und Flutsystem ohne Probleme zurechtkommen. Wenn das Wasser steigt, begeben sich die Regenwürmer wie bei einem Regenschauer in die trockeneren Zonen. Denn alle Stoffe, wie beispielsweise auch die Wurzelreste der Pflanzen, müssen ja wieder so aufbereitet werden, dass sie dem Gesamtprozess problemlos zugeführt werden können.
Die mögliche Phosphoranreicherung im Blähton ist in diesem kleinen System noch nicht aufgetreten, wohl aber in der größeren Anlage an der FH-Soest. Stefan Hecktor erwähnte zum Schluss noch einmal den Pioniergeist, der uns heute hier so realistisch vor Augen geführt wurde und bedankte sich im Namen der DGHK mit einer Flasche "Nährlösung".
Den Bericht über unser zweites und drittes Ziel finden Sie unter Unser zweites Ziel, der alte Teil des Dortmunder Hauptfriedhofes und Unser drittes Ziel: die FHS Südwestfalen in Soest, unser letztes Ziel: "GärtnerGregg" wird in "Hydrokultur intern 02 - 2020" erscheinen, die Galerie über unser erstes Ziel ist unter "die urbanisten" archiviert.
(29.03.2020)