© Beate M. Klug Präventiver Gesundheitsschutz?

Immer mehr Unternehmen, öffentliche Einrichtungen, Bürgerinitiativen und Organisationen interessieren sich höchst praktisch für den Nutzwert von Begrünungsprojekten. Vor allem, wenn es um die eigenen Belange geht, fördert eine intensive Beschäftigung mit dem Thema Grün Erstaunliches zutage. So auch Ende des Jahres 2002 beim Automobilhersteller BMW AG (München), dessen Abteilung Arbeitssicherheit werksintern eine Studie zum Thema ‚Das begrünte Büro als Gesundheitsschutz‘ durchführte. Ein Monitoring von Bildschirmarbeitsplätzen hatte ergeben, dass gesundheitliche Beschwerden am Arbeitsplatz wie Atemwegserkrankungen, Trockenheit und Angespanntheit die Mitarbeiter quälten.
Angeregt von internationalen Forschungsergebnissen, so Beate Klug von BMW, beschloss man, der Sache auf den Grund zu gehen und die Beschwerden mit Hilfe gezielter Bürobegrünung zu lindern. Die Ergebnisse dieses einjährigen Pilotprojekts überraschten selbst die Optimisten unter den Initiatoren: Das persönliche Wohlbefinden der Mitarbeiter erhöhte sich signifikant – das begrünte Büro entwickelte sich zum werksinternen Arbeitsplatzfavoriten. Gerade unter den Ingenieuren, so Beate Klug, war es von Bedeutung, dass die subjektiven Empfindungen durch wissenschaftlich messbare Daten bestätigt wurden. Wie wichtig das Projekt mittlerweile bei BMW geworden ist, zeigen weitere Folgeprojekte, anhand derer die Ergebnisse optimiert und letztendlich in einen generell umsetzbaren werksinternen Standard überführt werden sollen.

Mit Pflanzen gegen Bürobeschwerden

Tabelle Lage der Büros

Der Hauptkritikpunkt der anfangs durchgeführten Mitarbeiterbefragung betraf das Klima in den typischen Großraumbüros. Durch Klimaanlagen bedingte Zugluft, eine geringe Luftfeuchtigkeit, schlechte Luftqualität, elektrostatische Aufladung und jahreszeitlich bedingte Temperaturschwankungen wurden durchweg als unangenehm empfunden. Wie eine Studie des BKK Bundesverbands aus den Jahren 1999/2000 gezeigt hat, sind dies Faktoren, die mit über 30 Prozent den häufigsten Grund für Arbeitsunfähigkeit, die Erkrankung der Atemwege, beeinflussen. Das aus der Befragung resultierende Pilotprojekt hatte die Aufgabe, die Klimasituation zu verbessern und Alternativen zu technischen Klima- und Befeuchtungsanlagen zu finden. Im Anschluss an die Untersuchungsphase und die Auswertung der gemessenen Daten sollten für einen BMWStandard umsetzbare Lösungen definiert werden. Für das Projekt wurden drei Büros mit unterschiedlicher Begrünung und verschiedenen Belüftungsformen ausgestattet.
Das so genannte ‚Pflanzenbüro‘ mit Pilotbepflanzung verfügte über Fensterbelüftung, ebenso das Referenzbüro 1, das Standardbüro mit bisheriger Standardbepflanzung. Das- Klimabüro, das Referenzbüro 2, verfügte weder über Begrünung noch über Fensterbelüftung, sondern wurde über eine raumlufttechnische Anlage belüftet. Von insgesamt 308 qm Bürofläche im Pflanzenbüro wurden 34 qm begrünt, das entspricht einem Prozentsatz von 11 Prozent. Insgesamt wurden etwa 1.000 Pflanzen in 69 Pflanzgefäßen im Büro aufgestellt. Die professionelle Pflege der Pflanzen übernahm einmal wöchentlich eine Gärtnerei.

Das Pflanzenbüro – der eindeutige Mitarbeiterfavorit
Das grüne Büro entwickelte sich sehr schnell zum bevorzugten Arbeitsort. In Mitarbeiterbefragungen erreichte es während eines Jahres fast durchweg die Bewertungsnote eins, vor dem “Standardbüro” und dem “Klimabüro” als Schlusslicht. Über 93 Prozent der Befragten fühlten sich nach der Bepflanzung wohler und gaben an, dass sich der Schallpegel deutlich verringert habe. 47 Prozent der Mitarbeiter fühlten sich durch die Bepflanzung entspannter, 29 Prozent waren motivierter bei der Arbeit. Beim persönlichen Empfinden der Mitarbeiter herrschte große Einigkeit in der Belegschaft – die Luftqualität im Pflanzenbüro wurde als verbessert hervorgehoben. Die Messdaten der untersuchten Parameter Temperatur, Luftfeuchte, CO2- und Keimbelastung, Gefahrstoffkonzentration und Akustik untermauerten die subjektiven Eindrücke. Pflanzen im Büro haben nicht nur einen positiven Einfluss auf die Temperatur im Raum, sondern sie halten auch die Luftfeuchtigkeit im Sommer wie im Winter im optimalen Bereich. In den beiden Referenzbüros dagegen ist im Winter die Luft eindeutig trockener als empfohlen. Unabhängig von der Außentemperatur bleibt die Temperatur im begrünten Büro so gleichmäßig wie im klimatisierten Büro mit gesteuerter Temperaturregelung, während im nicht klimatisierten Referenzbüro einige Schwankungen zu beobachten sind.
Im begrünten Büro war die Keimbelastung um 70 Prozent geringer als in den beiden Referenzbüros. Zudem bauen Pflanzen Gefahrstoffe wie Formaldehyd, Benzol, Aceton oder Nikotin ab, was sich in den Messdaten des Pflanzenbüros eindeutig ablesen lässt: Je nach Schadstoff ist eine Reduktion der Konzentration zwischen 28 und 76 Prozent pro qm zu erkennen. Beeindruckende Ergebnisse erbrachte auch die Akustikmessung im begrünten Büro. Pflanzen zeichnen sich generell durch eine große Absorptionsfläche und einen geringen Nachhall aus. Im Pflanzenbüro war die Absorptionsfläche für Schall fast doppelt so hoch wie es die gesetzliche Mindestanforderung für akustische Behaglichkeit fordert. Würde man die schalldämpfenden Effekte der Pflanzen auf technischem Wege erzeugen wollen, müsste ein Büro mit 91 qm Absorptionsfläche ausgestattet werden, was 46 Stellwänden entspricht – eine beeindruckende Leistung, die die Pflanzen erbringen!

Grün – lohnende Zukunftsinvestitionen
Eindrucksvoll war auch die Gegenüberstellung der direkten Kosten und Nutzen der Begrünung. Was zuerst nach einem reinen Kostenfaktor ausgesehen hatte – pro Pflanzgefäß wurden zwischen 200 und 350 Euro investiert – lässt sich durch indirekt messbare Faktoren leicht gegenrechnen. Den Anschaffungs- und Pflegekosten, dem Flächenmehrbedarf und der zusätzlichen Beleuchtung auf der Kostenseite standen eine deutlich höhere Zufriedenheit und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter gegenüber. Zudem konnten Beleuchtungsanlagen und Akustikschutzmaßnahmen sowie technische Lüftung eingespart werden.

Weitere Versuche für einen optimierten Standard
Bei BMW hat man den Wert von Grün am Arbeitsplatz anhand des durchgeführten Pilotprojekts erkannt. Doch trotz der ermutigenden Daten sind noch weitere Optimierungen nötig, bevor ein firmeninterner Standard in Räumen mit klimatischen Problemen oder direkt in Neubauten implementiert werden kann. In weiteren Versuchen bemüht man sich zurzeit, durch den ausschließlichen Einsatz von Hydrokultur die Pflegekosten zu reduzieren sowie durch so genannte ‚Prima-Klima- Pflanzen‘, Pflanzen mit höherem Energieumsatz, den Flächenbedarf für die Begrü- nung zu reduzieren. Dafür werden vier unterschiedlich bepflanzte Büros miteinander verglichen: das bestehende Pflanzenbüro mit reduzierter Blattmasse, ein Büro mit Mischbepflanzung, ein Büro mit reiner ‚Prima-Klima- Bepflanzung‘ und ein Standardbüro. Zudem sind in BMW-Produktionsstätten, also am Band, erste Versuche mit Begrünungsprojekten gestartet worden, über deren Auswirkungen noch keine Ergebnisse vorliegen. (BK)